Pokalwahnsinn im Sauerland 11FREUNDE

Alles hatte so schön begonnen: Erst gewann die Spielvereinigung Erkenschwick im Westfalenpokal gegen den Viertligisten Rot Weiss Ahlen im Elfmeterschießen, in der nächsten Runde auch noch in gleicher Weise gegen den SC Preußen Münster. In der folgenden Runde des Landespokals, im Viertelfinale, sollten die Oberligisten aus Westfalen gegen den SV Rot-Weiß Erlinghausen aus der Landesliga antreten. Sollte – denn das Spiel fand nicht wie geplant am 19. November statt. Grund für die mehrmonatige Verschiebung: arge Sicherheitsbedenken.
Doch der Reihe nach. Im Vorfeld wurde der SV Rot-Weiß Erlinghausen durch den Erkenschwicker Sicherheitsbeauftragten Sven Hofmann informiert, dass beim Spiel im heimischen Hans-Watzke-Stadion möglicherweise mit Auswärtsfans der „Kategorie C“ zu rechnen sei. So klassifizieren die Behörden in ihrer „Gewalttäter Sport“-Datei gewalttätige Fans. Nun gab es seitens der Erlinghauser Verantwortlichen Sicherheitsbedenken: Könne man das Konzept der Polizei umsetzen, die möglicherweise gewaltsuchende Horde aus Erkenschwick im Zaum zu halten?
Wie mit Erkenschwicker Mob umgehen?
In Erlinghausen hatte man offenbar ernsthafte Zweifel daran, ob die eigene Sportanlage den Erkenschwickern infrastrukturell gewachsen sei. Der Verein erklärte in einem Statement, das Spiel aufgrund der mitreisenden, potenziell gewaltsuchenden Auswärtsfans nicht wie geplant stattfinden zu lassen: „Das eigentliche Problem ist eine kleine Gruppe von sogenannten Kategorie C Fans aus dem Fanspektrum des Gastvereins. Allein diese kleine Gruppe ist der Grund, warum aus Sicherheitsgründen dieses Spiel in Erlinghausen nicht stattfinden kann.“ Aus ihrer Sicht gab nur zwei Optionen: Das Heimrecht tauschen und das Spiel somit nach Erkenschwick zu verlegen oder das Spiel im Heimstadion ohne Zuschauer veranstalten – und somit vor allem ohne die unerwünschte Horde aus Westfalen.
Der Verein entschied sich für die zweite Variante. Ein Geisterspiel im heimischen Hans-Watzke-Stadion (ja, tatsächlich ist Aki Watzke, Sohn von Hans Watzke, Vorsitzender des Vereins). Der Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen bestätigte die Auflage, keine Fans zu dem Spiel zuzulassen. Lediglich 45 namentlich benannte Vereinsangehörige – inklusive Spieler und Trainer – sollten anreisen dürfen. Die Erlinghauser erklärten, sie würden die Anforderungen ansonsten infrastrukturell nicht bewältigen können und baten den Erkenschwicker Mob, auch zum Geisterspiel nicht ins Sauerland zu reisen.
Erkenschwicker: Bitte fahrt nicht nach Erlinghausen!
Denn der Ausschluss der eigenen Fans sorgte in Erkenschwick nicht gerade für Begeisterung. Ganz im Gegenteil: Die Sportvereinigung erklärt in einer Stellungnahme, dass sich mögliche Ausschreitungen durch die Entscheidung zugunsten eines Geisterspiels jenseits des Stadions verlagern könnten: „Auch Sicherheitstechnisch sehen wir keinerlei Mehrwert, sondern eher eine Eskalation der Lage. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich dennoch zahlreiche Schwicker in Marsberg einfinden werden, ist sehr hoch. Nur eben nicht unter kontrollierten Bedingungen im Stadion, sondern außerhalb.“
Auch rechtlich wehrten sich die Erkenschwicker gegen die Entscheidung des Fußball- und Leichtathletikverbandes Westfalen. Ihr Anwalt hatte vor dem Sportgericht des Westdeutschen Fußballverbands Berufung gegen die Entscheidung des Verbandssportgerichts eingelegt. Die Forderung der Spielvereinigung: Ein Spiel auf neutralem Boden mit Fans. Schließlich, erst einen Tag vor dem angesetzten Geisterspiel, der Erfolg für Erkenschwick: Die Westfalen erzielten mit einer einstweiligen Verfügung die Absage des geplanten Spiels.
Demarkationslinie Arnsberg
In den nächsten Wochen setzte sich der Rechtsstreit zwischen den beiden Vereinen und dem Verband fort. Schließlich wurde Anfang Dezember in einer zweistündigen mündlichen Verhandlung vor dem Sportgericht des Westdeutschen Fußballverbands ein Kompromiss ausgehandelt. Das Match zwischen Erlinghausen und Erkenschwick wurde auf den Kunstrasenplatz des benachbarten und somit „neutralen“ Marsberger Diemelstadions verlegt. Und auch die Geisterspiel-Entscheidung wurde gekippt. Mit einer besseren infrastrukturellen Ausstattung war es den Anhängern aus Erkenschwick, Erlinghausen und Umgebung wieder erlaubt worden, das Spiel zu besuchen. Wenn auch unter strengsten und kurios anmutenden Sicherheitsvorkehrungen.
Die Vereine durften jeweils nur 350 Tickets und nur per Vorverkauf unter ihre Fans bringen. Dabei wurden die Eintrittskarten personalisiert. Außerdem sollten von beiden Vereinen Ordner gestellt werden, um die räumlich voneinander getrennten Fanblöcke zu bewachen – und die möglichen Gewalttäter aus Erkenschwick im Auge zu behalten. Man bedenke: Es handelt sich bei der Spielstätte um einen Nebenplatz mit Kunstrasen. In Erlinghausen wurden Eintrittskarten, sofern der Käufer kein Vereinsmitglied ist oder dem Verein im Vorfeld namentlich bekannt war, nur an Personen mit Wohnort östlich von Arnsberg verkauft. Mit Hilfe dieser Linie, die Erkenschwick und Erlinghausen auf etwa gleicher Strecke voneinander trennt, wollten die Sauerländer sicher gehen, dass keine Erkenschwicker das Erlinghauser Ticketkontingent ausschöpfen, so die Erklärung.
Erneute Absage, neuer Termin und alte Auflagen
Schließlich einigten sich die Vereinsvertreter auf eine neue Terminierung. Am 29. Januar sollte der Pokalkracher stattfinden. Sollte – denn wieder wurde die Partie vom Pokalspielleiter abgesagt. Diesmal waren nicht etwa gewaltbereite Anhänger der Grund, sondern schlichtweg das Wetter. Es lag zu viel Schnee im Sauerland.
Nach diesen beiden Pleiten soll das Spiel nun endlich am 15. März stattfinden – mittwochs um 19.30 Uhr. Vielleicht gelingt also der dritte Versuch. An zu lockeren Sicherheitsvorkehrungen kann es nicht mehr scheitern – die bleiben nämlich für die Erlinghauser und besonders für den Erkenschwicker Mob bestehen.
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